Kinder aus Suchtfamilien in der Corona-Pandemie
veröffentlicht am 14.02.2021
Vergessenen Kindern eine Stimme geben – Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien
Bereits zum 12. Mal findet die deutschlandweite Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien statt – diesmal vom 14. bis 20. Februar. Schon immer geht es den Veranstaltern und den vielen Kooperationspartnern, wie der Einrichtung Feuervogel der Suchthilfe Aachen, darum, den vergessenen Kindern eine Stimme zu geben und mit vielfältigen Aktionen die Aufmerksamkeit auf ihre Situation zu legen. „Vielleicht war dieses Motto noch nie passender als diesmal, in Zeiten der Corona-Pandemie“, sagt Matthias Schreiber, Einrichtungsleiter bei Feuervogel.
Mehr Betroffene als vermutet
Betroffene Kinder und Jugendliche gibt es viele: Allein in der StädteRegion Aachen sind schätzungsweise 13.000 Mädchen und Jungen betroffen. Bezogen auf Gesamtdeutschland lebt schätzungsweise jedes sechste Kind unter 18 Jahren in Deutschland mit Substanzabhängigen Eltern. Die weitaus meisten dieser Jungen und Mädchen (ca. 2,65 Millionen) sind mit der Alkoholkrankheit eines oder sogar beider Elternteile konfrontiert. Mit drogensüchtigen Eltern leben ca. 40 bis 60.000 Kinder zusammen. Diese Kinder erleben in ihren Familien Instabilität, Unberechenbarkeit, Vernachlässigung, manchmal auch psychische und physische Gewalt. Auf jeden Fall müssen sie zu früh zu viel Verantwortung übernehmen und überspringen dadurch wichtige Entwicklungsschritte.
Corona macht Kindern aus Suchtfamilien das Leben schwerer
„Und genau diese Situation wird durch Lockdown, Homeschooling, Kontaktbeschränkungen und geschlossene Freizeiteinrichtungen potenziert“, führt Matthias Schreiber aus. Schon in „gesunden“ Familien lägen die Nerven mittlerweile zum Teil blank und Eltern fühlten sich überfordert. „Suchtkranke sehen in dieser Situation oft den Konsum als einzige Bewältigungsstrategie und können damit nicht mehr die Eltern sein, die sie gerne sein wollen.“ Daher sei es unerlässlich, dass die Angebote des Feuervogels zwar unter strenger Einhaltung der Hygieneregeln, aber dennoch trotz Lockdown beständig weiterlaufen. „Es ist ungemein wichtig, dass es wenigstens eine verlässliche Instanz gibt, und die sind gerne wir“, ergänzt Victoria Pieper, Mitarbeiterin bei Feuervogel. In den Gruppenstunden und im Rahmen der Einzelfallhilfen können die Kinder und Jugendlichen über das „Familiengeheimnis Sucht“, die Situation zu Hause, ihre Ängste und Sorgen mit den Fachleuten und Gleichgesinnten sprechen. „Das gemeinsame Essen, ein Spiel oder eine Vorlesezeit schafft etwas Normalität und Ausgleich zur oft stressigen Situation zu Hause.“
Vergessenen Kindern eine Stimme geben
Was die Corona-Situation mit der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen macht, wurde bisher wenig in den Blick genommen. Dabei gehen erste Studien davon aus, dass sie vermehrt unter Ängsten und Depressionen leiden. Die räumliche Enge zu Hause und die fehlenden Ausweichmöglichkeiten durch Schule und Freizeitaktivitäten sehen die Forscher als Risikofaktoren für familiären Stress, Aggressionen und häusliche Gewalt. „Davon sind auch unsere Feuervögelchen betroffen“, so Victoria Pieper.
Damit die Kinder insgesamt in Gesellschaft und Politik mehr in den Blick genommen werden, beteiligen sich die Mitarbeiter von Feuervogel in diesem Jahr auf ihren Social Media-Kanälen bei Facebook (www.facebook.com/feuervogelac/) und Instagram (www.instagram.com/feuervogelac) an der Aktionswoche „Kinder aus Suchtfamilien“. Hier finden Interessierte weiterführende Informationen, Literaturtipps, Fallbeispiele und lernen die Einrichtung näher kennen. Ziel ist es, einerseits Multiplikatoren zu erreichen, die betroffene Familien ansprechen können und anderseits, bei Kindern und Jugendlichen die Hemmschwellen abzubauen, sodass sie sich trauen, sich selbst aktiv Hilfe zu holen.