Wieviel Homeoffice ist gesund?
veröffentlicht am 18.11.2020
Durch die Coronapandemie wurden viele Arbeitnehmer „gezwungenermaßen“ ins Homeoffice geschickt. Aber was macht das mit den Menschen, ihrer Zufriedenheit und der seelischen Gesundheit? Erste Studien geben Aufschluss darüber.
Menschen zufrieden im Homeoffice
Im Mai 2020 hat das Fraunhofer Institut mit der Studie „fit4homeoffice“ Ergebnisse der ersten Erhebungswoche vom 1.-7. April 2020 vorgestellt. Demnach waren über 80 Prozent der Befragten zufrieden im Homeoffice – Männer etwas mehr als Frauen. Mittlerweile ist die Zufriedenheit sowohl bei Teammitgliedern als bei Führungskräften sogar auf 90 Prozent gestiegen. Die individuelle Arbeit funktioniert im Homeoffice besser. Der soziale und professionelle Austausch, die Unterstützung sowie Verbundenheit im Team werden jedoch vermisst:
- 85 Prozent der Menschen fehlt der persönliche Austausch,
- 66 Prozent fehlt der fachliche Austausch.
- Kaffeepausen und Mittagessen werden zu je rund 65 Prozent und
- gemeinsame Kreativ-Sessions zu 60 Prozent vermisst.
Faktoren, die zu einer hohen Zufriedenheit führen sind
- eine gute technische Ausstattung,
- regelmäßige Team-Meetings,
- eine klare Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben und
- geeignete Räumlichkeiten.
Ein wichtiger Faktor für die Zufriedenheit mit der Situation im Homeoffice ist außerdem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Großen Einfluss auf die empfundene Zufriedenheit und Produktivität haben dabei insbesondere betreuungspflichtige Kindern unter 12 Jahren: Befinden sich Kinder unter 12 Jahren im Haushalt, sind ein Viertel der im Homeoffice Beschäftigten unzufrieden mit ihrer Arbeitssituation. 37 Prozent empfinden ihre Produktivität als geringer.
Weniger Stress im Homeoffice
Eine aktuelle Studie der DAK kommt zu ähnlich positiven Ergebnissen. Die Beschäftigten sagen, sie haben weniger Stress, mehr Zeit für die Familie und eine höhere Produktivität durch das Homeoffice. So ist es nicht verwunderlich, dass 76,9 Prozent der Beschäftigten, die erst seit der Corona-Krise regelmäßig von der eigenen Wohnung aus arbeiten, diese Arbeitsform auch in Zukunft – zumindest teilweise – beibehalten möchten.
Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung kommt zu dem Ergebnis „Mehr Homeoffice bedeutet größere zeitliche Flexibilität und damit auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“
Chancen und Herausforderungen im Homeoffice gleichermaßen
So vielversprechend diese Ergebnisse auch klingen, so gibt es doch auch Herausforderungen. Gerade für junge Familien war das Arbeiten im Homeoffice aufgrund der Schließung von Schulen und Kitas eine besondere Belastung.
Die Arbeitszeit im Homeoffice kann zwar zeitlich flexibel eingeteilt werden, doch verschwimmen die Arbeits- und Privatwelt immer mehr. Es kommt zu einer Entgrenzung der Arbeitswelt. Laut DAK-Studie vermisst fast jeder Zweite die klare Trennung zwischen Job und Privatleben. Bei den 18- bis 29-Jährigen bemängelt das sogar eine Mehrheit von 52 Prozent. Drei Viertel der Befragten fehlt zudem der direkte Kontakt zu den Kollegen. Eine Untersuchung der Universität Koblenz hatte kürzlich sogar ergeben, dass sich jeder Fünfte im Homeoffice einsam und sozial isoliert fühlt.
Ein Blick in die Zukunft
Nach einer Befragung des Münchner Ifo-Instituts gehen 54 Prozent der Unternehmen davon aus, dass diese mobilen Arbeitsformen dauerhaft zunehmen und auch nach Corona mehr Menschen im Homeoffice arbeiten werden. Um den persönlichen und fachlichen Austausch unter den Kollegen zu ermöglichen und gleichzeitig die Vorteile des Homeoffice (keine Fahrtzeiten und Staus; höhere Flexibilität etc.) aufrechtzuerhalten, wird sich vielleicht ein gemischtes Modell – z.B. zwei Tage Büro, drei Tage Homeoffice – durchsetzen. Es bleibt zu beobachten, ob Homeoffice auch dauerhaft Mitarbeiter zufrieden macht und wie der soziale und fachliche Austausch sowie der Zusammenhalt – gerade auch vielleicht bei Neuanstellungen – trotz Ferne gefördert werden kann.
Wir haben ein Interview mit einem Arbeitnehmer geführt, der im Frühjahr durch Corona ins Homeoffice geschickt wurde. In unserem Audiobeitrag berichtet er von seinen Erfahrungen. Hören Sie doch mal rein:
Das Interview führte Jannik Weidemann, Sozialarbeiter in der Ausbildung und Praktikant der Suchthilfe Aachen.