Impuls 10 in Zeiten von Corona

veröffentlicht am 18.05.2020

Sehr geehrte Damen und Herren,

in den vergangenen Impulsen ging es häufiger um positive Gedanken, Wohlbefinden und Glücksmomente. Dabei soll auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass Glück ein Normalzustand in unserem Leben ist oder sein müsste: Wer nicht glücklich ist, macht etwas falsch oder ist selbst schuld daran?! Keineswegs!

Auf der Suche nach dem Glück jagen viele Menschen ausschließlich äußeren und materiellen Annehmlichkeiten nach. Oft wird versucht, unangenehme Gefühle damit gezielt zu bekämpfen. Doch wer alle Unglücksmomente ablehnt und negative Gefühle übertüncht, tappt nach Russ Harris (amerikanischer Psychotherapeut und Achtsamkeitsexperte) in die „Glücksfalle“. Glück kann kein Dauerzustand sein! Leid, Langeweile und Ungewissheit gehören ebenso zum Leben dazu. Diese Gefühle dürfen sein – so wie Sie sie vermutlich jetzt in der Coronakrise spüren.

Welche Emotionen nehmen Sie in Zeiten von Corona in sich wahr?
Wie stark fühlen sich die einzelnen Emotionen an?
Welche fühlen sich positiv an? Welche negativ?
Welche können Sie vielleicht auch noch nicht richtig zuordnen?

Auch der australische Psychologe Brock Bastian ist davon überzeugt, dass wir mit der Vorstellung des Dauerglücks am wahren Glück vorbeirennen. Denn um wirklich intensive, positive Gefühle zu erleben, brauchen wir die unangenehmen Emotionen ebenso. Seiner Auffassung nach ereignen sich glückliche Momente nämlich oft genau an der Schnittstelle zwischen Freude und Leid. So wie große Siege auch nur deshalb so groß sind, weil sie „Blut, Schweiß und Tränen“ gekostet haben. Oder das Glück einer neuen Liebe nicht entsteht, weil die Liebe schon so groß und tief ist, sondern wir uns verletzlich zeigen. Die Gegensätzlichkeit von Glück und Schmerz gehört daher zusammen und zum Leben dazu, wie die Gegensätze Tag und Nacht, Sommer und Winter, Spannung und Entspannung. Wenn wir also den unangenehmen Gefühlen keinen Platz im Leben einräumen, verjagen wir das Glück, so die spannende These von Bastian. Wer vor Krisen, Unsicherheiten, negativen Gefühlen und anderem Unglück im Leben nicht davonläuft, wird dagegen merken, dass man daran wächst und widerstandsfähiger – also resilienter – wird. Es handelt sich also quasi um eine Art „psychologische Impfung“.

Warum Krisen stärker machen

Nehmen wir das aktuelle Thema Corona: Das Virus hat uns dazu gezwungen, flexibler zu werden und neuzudenken. Dinge von denen wir dachten, „Das geht nicht!“ gehen plötzlich – nicht immer, weil man will, sondern weil es jetzt halt so ist. Wenn wir umdenken (müssen), verknüpft sich unser Gehirn neuronal neu und wir nutzen unser schlummerndes Potenzial – sprich: wir wachsen. Anstelle des Weges A, wissen wir jetzt, es gibt auch noch Weg B oder E. Und wann immer wir lernen und mehr Lösungen erkennen, werden wir auch (oder trotz Krise) dann doch ein wenig glücklicher.

Was es unbedingt dieser Tage braucht, ist eine gesunde Balance zwischen Akzeptanz – übrigens auch einer der Schlüsselkompetenzen in der Resilienzforschung – und Aktionismus. Es geht darum, die Situation erstmal zu realisieren, sie anzunehmen und alle Gefühle zu durchleben, die damit einhergehen. Darin bleiben resiliente Menschen jedoch nicht stecken oder verfallen gar in eine Jammerkultur, sondern sie suchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv danach, was sie sich und anderen Gutes tun können. (Übrigens: Natürlich ist Klagen okay. Wenn wir uns den Grundoptimismus jedoch nicht vermiesen wollen, dann besser nicht zu lange, nicht zu oft und am besten allein. 🙂 )

Fazit:
Auch die resilientesten Menschen sind niedergeschlagen, wenn sie Grund hierfür haben – und eine weltweite Pandemie liefert sicher genügend Gründe. Sie nehmen die „Niederlage“ aber an, verarbeiten sie und fühlen dabei in ihrem Inneren die Gewissheit, dass es zwar wehtut, aber auch, dass es vorübergeht. Ganz nach den Worten des Dalai Lama, der einmal gesagt hat: „Schmerz ist unvermeidlich, Leiden ist freiwillig.“

 

Bildquelle: Photo by Fernando Brasil on Unsplash; Photo by Javier Allegue Barros on Unsplash
Quelle: https://maikevandenboom.de/durch-krise-gluecklicher-werden/, abgerufen am 06.05.2020
Flow, Nummer 40; Newsletter des Ministeriums für Glück und Wohlbefinden vom 06.05.2020

Yvonne Michel

Ansprechpartnerin

Yvonne Michel

Einrichtungsleitung, Fachkraft für betriebliche Suchtprävention

Telefon: 0241-41356130

E-Mail: y.michel@caritas-aachen.de

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