Selbstverletzendes Verhalten bei Mädchen

veröffentlicht am 25.08.2017

Rund 20 Prozent der Jugendlichen entwickeln in der Pubertät, die als eine Zeit von Krisen und Gefährdungen gilt, psychische Störungen. Zehn Prozent sind so ausgeprägt, dass sie behandelt werden müssen. Dabei sind die Ausprägungen bei Mädchen und Jungen verschieden: Jungen neigen dazu, Regeln zu missachten, Mädchen tendieren zu Depressionen, Ängsten, Selbstverletzungen oder Essstörungen. Jungs machen also eher den Schulhof zum Kampfplatz, Mädchen sich selbst und den eigenen Körper. Dieses Störungsbild kommt bei Mädchen zu 80 Prozent vor, das Verhältnis im Vergleich zu den Jungs beträgt 4:1. 80 Prozent der Jungen werden dafür im Kindesalter wegen sozialer Störungen vorgestellt. In der Pubertät kehrt sich dann das Verhältnis um und Mädchen werden wegen Depressionen, Selbstverletzendes Verhalten oder Essstörungen auffällig.

Aber woran liegt das?
In einem Interviewt mit den Aachener Nachrichten erklärt Hans Hopf, analytischer Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeut, einige Thesen dazu:

  • Mädchen können mehr aushalten und besitzen in der Regel ein gefestigtes Gewissen. Dafür verantwortlich ist maßgeblich die enge Bindung zwischen Mutter und Tochter und das Phänomen, dass Babymädchen und Mutter sich stark aneinander orientieren und sich aufeinander einstellen. Dies fördert eine frühe Empathieentwicklung bei Mädchen. Mädchen können sich also besser als Jungs in andere einfühlen, sind dadurch aber auch leichter emotional auszubeuten und seelisch verletzbarer.
  • Die Sozialisation vieler Mädchen ist durch eine enorme Verhaltenshemmung und Kontrolle geprägt. Mädchen unterdrücken also eher ihre spontanen Impulse und ihr Temperament stärker als gleichaltrige Jungen. Erwachsene, wie Eltern und Lehrer, regulieren das Verhalten und die Emotionen von Mädchen auch stärker als bei Jungen. Daher haben Mädchen in der Regel auch ein gut gefestigtes Gewissen, können höhere Leistungen erbringen und befähigt sie, Spannungen und Gefühle besser zu ertragen. Sie sind mit ihren psychischen Ausstattungen – Empathie, Durchhaltevermögen und Zuverlässigkeit – den Jungs oft weit überlegen. Was jetzt vielleicht als Kompetenz wirkt, kann aber eben auch problematisch werden, wenn dieses Gewissen zu streng und kontrollierend wird. Schuld, Scham und die Angst vor Liebesverlust können bei Mädchen und Frauen die Ich-Durchsetzung hemmen. Die Folge: In diesem Fall lernen Mädchen Aggressionen nach innen zu wenden und versuchen, ihren Körper zu zerstören. Die Symptome können dann selbstverletzendes Verhalten oder eine lebensbedrohliche Essstörung sein.

Die autoaggressiven Tendenzen bei Mädchen sind eher stumm, weil sie versuchen, so lange es geht sich anzupassen. Alarmzeichen können aber Rückzug und Isolation sein, die auf problematische Entwicklungen schließen lassen können. Hilfe bei Essstörungen bietet unsere Fachstelle Essstörungen. Die Sprechzeiten sind Montag 15 bis 17h und Donnerstag 13.30 bis 15.30h. Weitere Informationen unter www.suchthilfe-aachen.de

Quelle: Aachener Nachrichten vom 12.06.2017

Foto: Alexander Shustov/ Unsplash