Presseinfo: Suchthilfe Aachen stellt Jahresbericht 2015 vor
veröffentlicht am 09.06.2016
Das Jahr 2015 war für die Suchthilfe Aachen in Trägerschaft von Caritas und Diakonie geprägt davon, die gesamte Angebotspalette für Betroffene, deren Angehörigen sowie Multiplikatoren aufrecht zu erhalten – und das obwohl die öffentlichen Mittel auf dem Niveau von 2013 stagnieren, die anfallenden Kosten aber gleichzeitig gestiegen sind. „Uns ist es wichtig, dass suchtkranke Menschen und ihre Angehörigen – wie Partner, Kinder oder Eltern – nicht unter diesen Entwicklungen leiden müssen. Ihnen muss schnell und professionell geholfen werden“, erklärt Gudrun Jelich, Leiterin der Suchthilfe Aachen. „Das uns dies in den nächsten Jahren weiterhin gut gelingt, wird eine große Herausforderung“, ergänzt ihr Kollege Kalle Wilms.
Beratungsbedarf unvermittelt hoch
Denn der Hilfebedarf zu den unterschiedlichsten Süchten ist weiterhin sehr hoch. Im letzten Jahr suchten 1386 Menschen mit einer Sucht- oder Drogenproblematik sowie 294 Bezugspersonen mindestens eine der differenzierten Beratungs- und Behandlungsmöglichkeiten auf. In der Suchtberatung, der Jugend- und Drogenberatung, der Einrichtung „Feuervogel – Hilfen für Kinder suchtkranker Eltern“ sowie in der medizinischen Ambulanz am Kaiserplatz gab es 2517 verschiedene Betreuungsprozesse.
Einmaliges Durchlaufen der Hilfen wird seltener
Die Behandlung Betroffener wird immer komplizierter, denn zusätzlich zur Suchterkrankung treten häufig psychische Erkrankungen oder soziale Schwierigkeiten auf. Auch die Integration von suchtkranken Menschen mit Migrationshintergrund, die wenig Deutsch sprechen oder manchmal auch nicht schreiben oder lesen können, stellen schon jetzt große Herausforderungen für die Berater dar. „Das einmalige Durchlaufen der Hilfsangebote wird dadurch seltener“, zeigt Gudrun Jelich auf. Da-mit sei eine Heilung der Suchterkrankung im klassischen Sinn nicht unbedingt das erste Ziel der Behandlung, sondern Abstinenz sowie das Erlernen von Strategien zum Umgang mit Rückfällen. Auch Menschen, die zunächst nicht ganz freiwillig die Hilfen aufsuchen, könne geholfen werden. „Der konstruktive Druck von Angehörigen, dem Arbeitgeber oder Behörden kann häufig sinnvoll genutzt werden, um ins Hilfesystem einzusteigen“, ergänzt Gudrun Jelich.
Verhaltenssüchte auf dem Vormarsch
Aber nicht nur Alkohol und andere Substanzen spielen eine Rolle. Auch bei den sogenannten Verhaltenssüchten verzeichnen die Experten einige Trends. „Der Bedarf im Bereich Essstörungen steigt weiter dramatisch“, stellt Ruth Schwalbach, Suchttherapeutin fest. Auffällig sei eine Zunahme von Magersüchtigen mit bedrohlichem Untergewicht. Erstmalig melden sich vermehrt auch betroffene Jungen und junge Männer. Diäten seien dagegen häufig der Auslöser für Heißhungerattacken mit Bulimie oder Binge Eating Disorder (Esssucht) in der Folge. „Diesem Bedarf mit zwei Personalstellen für die gesamte Städteregion gerecht zu werden, wird zunehmend schwieriger“, erklärt Ruth Schwalbach. Nur durch Spendengelder seien Angebote wie „Leben hat Gewicht“ überhaupt noch aufrechtzuerhalten. Im Bereich des pathologischen Glücksspielens nutzten 123 Betroffene – zu 95 Prozent männlich – die Angebote der Suchthilfe Aachen. Jeder dritte der Betroffenen stammt aus einer orientalischen Kultur. Häufig sind die Klienten aus bildungsfernen Schichten und ihre Situation durch z.B. hohe Schulden sehr problembelastet.
Hilfsbedarf beim Thema Cannabis gestiegen
Neben Drogenabhängigen wenden sich vor allem Eltern oder Jugendliche an die Experten der Jugend- und Drogenberatung. „Der Trend zu einem immer früheren Einstieg sowie zu einem riskanten Mischkonsum hält weiterhin an. Die 14- bis 28-jährigen Cannabis- und/oder Amphetaminkonsumenten stellen mittlerweile unsere Hauptklientengruppe dar“, zeigt Pit Schlimpen, Einrichtungsleiter, die Situation in der Jugend- und Drogenberatung auf. „Verbunden mit dem Konsum sind häufig Fragen der Eltern zum schulischen oder beruflichen Leistungsabfall sowie aggressivem Verhalten ihrer Kinder“, ergänzt Pit Schlimpen. Aufgrund der hohen Nachfrage in der Jugend- und Drogenberatung existierten hier fortlaufend Wartelisten.
Vielfältige Angebote der Suchthilfe
Zu den Einrichtungen der Suchthilfe Aachen gehören ebenfalls „Feuervogel – Hilfen für Kinder suchtkranker Eltern“, die Fachstelle für Suchtprävention sowie die Angebote von Troddwar – Kontakt. Netzwerk. Niedrigschwellig für Schwerstabhängige am Kaiserplatz. Die Fachstelle für Suchtprävention führte 210 Maßnahmen durch und erreichte damit 3636 Personen. Davon waren 2312 Kinder und Jugendliche sowie 1324 Multiplikatoren – schwerpunktmäßig aus den Bereichen Schule, Jugendhilfe und Unternehmen. Über die Einrichtung Troddwar am Kaiserplatz wurden im Kontaktcafé pro Tag zwischen 70 und 100 Drogenabhängige betreut. Schwerpunkte dabei waren lebenspraktische Hilfen, Kurzberatungen und Weitervermittlungen in andere Hilfen. „Erfreulich ist die deutliche Änderung im Selbstverständnis und Verhalten unserer Klienten gegenüber der Einrichtung“, stellt Mark Krznaric, Einrichtungsleiter, fest. „Sie möchten Verantwortung zeigen und etwas zurückgeben.“ So übernehmen Klienten nicht nur im Spritzensammlerprojekt Aufgaben, sondern auch im spendenfinanzierten Gartenprojekt „Querbeet“.