Buchempfehlung: High sein von Jörg Böckem

veröffentlicht am 26.05.2015

Letzte Woche haben wir Post von erhalten von Jörg Böckem. Jörg ist Journalist und Autor u.a. der Bücher „Lass mich die Nacht überleben“ und „Freitagsgift“. Aus beiden Büchern hat er bereits zweimal für uns und unsere Gäste gelesen – zuletzt im letzten Jahr im Rahmen unserer Jubiläumsveranstaltungen. Beide Lesungen waren ausgebucht und die Zuhörer begeistert. Warum? Weil Jörg selbst heroinabhängig war und daher sehr authentisch schreibt. Er hat viel mitgemacht, die positiven Seiten und den Reiz von Drogen erlebt, aber auch gesehen, wie sie alles kaputt machen und gefährden können – die Beziehung zu geliebten Menschen, die Arbeit, die Gesundheit… Heute ist er clean, gesund, lebt mit Partnerin und Kind glücklich in Hamburg.

Besonders anregend sind immer die anschließenden Fragerunden, denn Jörg bleibt auch hier authentisch, nimmt kein Blatt vor den Mund, weiß viel, verharmlost den Konsum von Drogen nicht, aber verteufelt ihn und Konsumenten auch nicht. Er weiß, es gibt viele Wege in die Sucht und mindestens genauso viele wieder heraus. Er „verschreibt“ keinem einen bestimmten Umgang mit Drogen, und das kommt gut an. Daher freuen wir uns, dass er uns nun sein neues Buch vorgestellt hat „High sein – Ein Aufklärungsbuch für Jugendliche und Erwachsene“. Um darauf neugierig zu machen, dürfen wir die Einleitung hier zitieren, was wir gerne machen. Viel Spaß beim Lesen… und wer weiß, vielleicht dürfen wir ihm im nächsten Jahr auch in Aachen noch mal zuhören. Uns schwebt da so etwas vor… 🙂

EINLEITUNG: 

Die US-amerikanische Fernsehserie Breaking Bad dreht sich um die Verwandlung des biederen Chemielehrers Walter White in den Drogendealer Heisenberg. Walter möchte mit dem Geld, das er mit der Drogenproduktion verdient, seine Lungenkrebsbehandlung finanzieren und seine Familie für den Fall seines Todes finanziell absichern. Mit der Zeit verändert sich Walters Persönlichkeit, er benutzt, manipuliert und tötet schließlich Menschen.

„Breaking bad“ heißt so viel wie „auf die schiefe Bahn geraten“. Das beschreibt ganz gut das Bild, das die meisten Menschen von Drogen haben: Drogen sind schlecht, irgendwie böse, sie verderben einen Menschen, wer sich auf Drogen einlässt, ruiniert über kurz oder lang sein Leben. Dieses Bild ist falsch. Aber es ist nicht ganz falsch, denn Stoffe, die die Wahrnehmung und das Erleben verändern, können tatsächlich das Beste und das Schlechteste in einem Menschen hervorholen. Das Beste? Ja, auch das.

Drogen nehmen kann großartig sein: überwältigend, aufregend, inspirierend, lustig,  euphorisierend, , sinnlich, identitätsstiftend, entspannend oder entlastend. Berauschend eben. Drogen vermögen unsere Sinne zu schärfen oder zu trüben, sie können unsere Perspektive verändern, unsere Beziehungen und unsere Sexualität, unser Denken, Fühlen und Handeln – zum Guten und zum Schlechten. Klar, Drogen nehmen kann auch einfach nur langweilig und öde sein. Und natürlich ziemlich beschissen: niederschmetternd, stumpf und elend; es kann uns einsam machen oder apathisch, ängstlich oder aggressiv, überheblich oder unberechenbar, depressiv oder verzweifelt. Drogen können süchtig machen, unsere Gesundheit, Beziehungen und Zukunft ruinieren, uns ins Krankenhaus, in die Psychiatrie oder schlimmstenfalls ins Grab bringen. Können sie. Stimmt. Müssen sie aber nicht. Keine Droge führt automatisch auf direktem Weg zu Verfall, Elend und Sucht.

Wer nicht abstürzen will, muss die Anforderungen, die Rausch und Drogen wie Alkohol oder Cannabis an uns stellen, verstehen und bewältigen. Aber wie ist das möglich? Indem man sich informiert, klar. Aber wie bei jedem Hobby, jeder anderen menschlichen Tätigkeit spielt auch Übung eine wichtige Rolle – also das Lernen aus Erfolgen und Fehlern, im Idealfall nicht nur den eigenen: Deshalb lohnt es sich, anzuschauen, wie andere mit Drogen und Rausch umgehen, wie sie darin erfolgreich sind oder warum sie scheitern. Bei den legalen Drogen wie Alkohol sind solche Beispiele noch einigermaßen einfach zu finden und zu beobachten. Bei den illegalen Drogen dagegen ist es schwierig, Menschen mit einem kontrollierten, unschädlichen Umgang kennen zu lernen oder etwas über sie und ihre Strategien zu erfahren. Noch schwieriger scheint es, sie mit einem nüchternen, kritischen Abstand und ohne Vorurteile zu betrachten.

Aus diesem Grund haben wir  wissenschaftliche Informationen und Forschungsergebnisse, also Daten und Fakten, eng mit persönlichen Erlebnissen und Überzeugungen von jungen Frauen und Männern verknüpft, die wir interviewt haben. Anhand ihrer Erfahrungsberichte möchten wir die Bandbreite der unterschiedlichen Motivationen und Vorlieben, der Konsummuster und Risiken, der Wirkungen und Nebenwirkungen der verschiedenen Drogen anschaulich machen.High sein ist ein Buch für Jugendliche und junge Erwachsene, das niemanden erschrecken, verurteilen oder bevormunden will. Es ist ein Buch für Abenteurer und Ängstliche, für Erfahrene und Einsteiger, für Experimentierfreudige und Abstinente, für Neugierige und Vorsichtige. Ein Buch für jeden, der sich ein umfassendes Bild von Drogen aller Art, von Rausch und Sucht, von Wirkungen, Nebenwirkungen und Risiken machen will. Eine Art Augenöffner oder Wegweiser, idealerweise. Und ein Einsteigerbuch für alle, die tiefer forschen wollen.

Menschen sind unterschiedlich. Sie unterscheiden sich in ihren Bedürfnissen und Vorlieben, ihren Stärken und Schwächen, ihren Hoffnungen und Ängsten. Sie leben in unterschiedlichen sozialen Schichten und Gruppen, ihre Beziehungen zu Familie, Freunden und Partnern unterscheiden sich, sogar die chemischen Abläufe in ihren Gehirnen. Zugegeben, das ist keine überraschende Erkenntnis. Aber eine wichtige: Wie eine Droge wirkt, welchen Nutzen sie hat oder welchen Schaden sie anrichtet, wie aufregend oder bedrohlich wir einen bestimmten Rauschzustand empfinden, welche Droge uns fasziniert oder abschreckt und wie hoch das Risiko, süchtig zu werden ist, hängt nicht zuletzt von diesen Unterschieden ab. Davon handelt dieses Buch.

Wir wollen niemandem vorschreiben, was er tun oder lassen soll. Stattdessen möchten wir versuchen, jedem Leser die Möglichkeit zu geben, seine Entscheidungen gut informiert und unter Abwägung der Risiken zu treffen; denjenigen, die Drogen nehmen, möchten wir helfen, zu verstehen, was da Merkwürdiges, Wunderbares oder Erschreckendes mit ihnen geschieht und wie das ihr Leben beeinflussen kann; möchten sie dabei unterstützen, einen klaren Blick dafür zu entwickeln, wann und in welcher Weise der Konsum bedrohlich werden und außer Kontrolle geraten kann, ihnen Hinweise geben, wie sie dem Kontrollverlust und dem Absturz entgegenwirken können und aufzeigen, welche Hilfsangebote es gibt, wenn ein Gegensteuern aus eigener Kraft nicht mehr möglich ist. Denen, die sich um den Drogenkonsum von Freunden oder Verwandten Gedanken machen, möchten wir helfen, zu verstehen, welche – guten und weniger guten – Gründe es gibt, sich für eine Droge zu entscheiden, welche Faszination, welchen Reiz Drogen und Rausch auf zahlreiche Menschen ausüben und welche Wege es gibt, als Freund oder Freundin damit umzugehen.

High sein ist so facettenreich wie das Team, das an diesem Buch gearbeitet hat:

Henrik Jungaberle ist Drogen- und Präventionsforscher. Sein wissenschaftliches Interesse gilt vor allem dem positiven Umgang mit psychoaktiven Substanzen – so lautet der wissenschaftlich korrekte Begriff für Drogen – und wie man diese positive Wirkung stärken und erhalten kann. Er steuert zu High sein unter anderem Zahlen, Fakten und Zitate aus seinen Forschungsprojekten bei. Im Projekt RISA am Universitätsklinikum Heidelberg hat er 10 Jahre lang 318 Schüler und Schülerinnen sowie 40 Erwachsene begleitet und deren Erfahrungen mit so unterschiedlichen Substanzen wie Alkohol, Tabak, Cannabis, Ecstasy, Ayahuasca, LSD oder Methadon beleuchtet. Außerdem hat er REBOUND mitentwickelt, ein auf Kurzfilmen basierendes Aufklärungsprogramm für junge Menschen, Schulen und Jugendeinrichtungen, das dabei hilft die eigenen Stärken zu klären und einen bewussten Umgang mit Drogen zu erlernen.

Jörg Böckem ist freier Journalist und Autor, er arbeitet unter anderem für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel und das Zeit Magazin und hat vier Bücher zu Drogen und Sucht geschrieben, in seinem Bestseller Lass mich die Nacht überleben – mein Leben als Journalist und Junkie hat er auch seine eigene langjährige Heroinabhängigkeit und seine Erfahrungen mit Entgiftung und Therapie beschrieben. In den vergangenen Jahren hat er mehr als 100 Lesungen und Vorträge an Schulen und Universitäten gehalten und mit Schülern und Studenten über das Thema Drogen diskutiert. Die Fragen, die ihm im Laufe der Jahre gestellt wurden, haben dieses Buch mit geprägt.“

Mit freundlicher Genehmigung von Jörg Böckem